3. Kulturspezifische Hinweise

Macht und Hierarchie

 

Polizeibeamte bedienen sich einheitlicher Vorgehensweisen, um einerseits jeden Bürger gleich zu behandeln und andererseits zur Eigensicherung im Falle einer Eskalation. Hinsichtlich einiger polizeilicher Handlungen kann die Tatsache, dass sich nicht jeder Bürger dessen bewusst ist, zu Missverständnissen führen, was wiederum zu unnötigen Konfliktsituationen zwischen Sicherheitspersonal auf der einen und Bürgern auf der anderen Seite führen kann.

 

Ein Polizeibeamter ist verpflichtet, die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten. In dieser Funktion erscheint er mitunter ziemlich streng. Wenn er es z.B. mit einem Geflüchteten zu tun hat, der noch unter den Folgen von Krieg und Flucht leidet, kann dies traumatische Erscheinungen einschließlich Aggressivität auslösen.

 

Es ist in diesen Fällen am besten, mit Erklärungen den Bürger zu beruhigen und Vertrauen aufzubauen, um effektiv und angemessen mit der Situation umgehen zu können. Die sprachlichen Mittel sollten sowohl der Zielgruppe hinsichtlich Wortschatz, Struktur und Sprechtempo angepasst werden als auch neutral sein und Mitgefühl zeigen für Personen, die sich in einer so schwierigen Lage befinden.

 

Macht besitzt man nicht automatisch; sie wird einem auf Grund bestimmter Kriterien verliehen. Das kann eine bestimmte Rolle in der Gesellschaft sein (Elternteil, Lehrer, Richter), eine gewisse moralische oder intellektuelle Überlegenheit oder physische Dominanz. Damit verbunden ist das Konzept von Hierarchie. Im Kontext von Vocal in Need hat Hierarchie  die Bedeutung von niedrigem bzw. hohem sozialen Status.

 

Ob jemand als Autorität anerkannt und wie Macht betrachtet wird, ist kulturabhängig unterschiedlich. Welche Rolle Macht in der Familie oder einer Institution spielt, ist ebenfalls kulturspezifisch. Einige Kulturen, wie beispielsweise muslimisch geprägte, sind zumeist in hohem Maße hierarchisch strukturiert und autoritär geprägt. In diesen Gesellschaften wird Macht von biologischen Faktoren bestimmt wie beispielsweise Alter und Geschlecht. Ältere Männer genießen die höchste Autorität; junge unverheiratete Frauen die geringste. Diese Rangordnung spiegelt sich sowohl in der Familie wider als auch in der Gesellschaft im Allgemeinen. In Gesellschaften, die durch Stammesstrukturen geprägt sind, werden Hierarchie und Macht im Verhältnis zum Stammesältesten gesehen. Menschen, die mit diesem Konzept aufgewachsen sind, haben möglicherweise Schwierigkeiten damit, andere Formen von Macht zu akzeptieren. Selbst dann, wenn sie in westlichen Gesellschaften leben.

 

In westlichen Gesellschaften sind Hierarchie und Macht weniger deutlich sichtbar. Das bedeutet keineswegs, dass diese Konzepte von geringerer Bedeutung wären als in stärker hierarchischen Strukturen. Diese Gesellschaften leben diese Konzepte einfach anders. Die Ergebnisse der Globe Studie zeigen im Hinblick auf Hierarchie und Macht folgendes Ranking für die für Vocal in Need relevanten Gesellschaften, beginnend mit der höchsten Bedeutung: Nigeria und Marokko, Türkei, Deutschland, Italien und Iran, Irland und England, Polen, Österreich (House, 2011). Das zeigt natürlich nur eine allgemeine Tendenz. da es selbst innerhalb eines Landes kulturelle Abweichungen gibt.

 

Hinweise:

  • Beachten Sie die Kulturspezifik der Auffassungen von Hierarchie und Macht.
  • Finden Sie heraus, woher Ihr Gegenüber kommt. Das hilft Ihnen dabei zu verstehen, welche Auffassung von Macht und Hierarchie derjenige hat.
  • Wenn Sie das Gefühl haben, nicht als Autorität akzeptiert zu werden, versuchen Sie, das nicht persönlich zu nehmen. Ihr Gegenüber kann Ihre Art, Autorität zu zeigen, vielleicht nicht erkennen.

 

 

Bibliographie

Hecht-El Minshawi, Beatrice, Kehl-Bodrogi, Krisztina (2004), Muslime in Beruf und Alltag verstehen. Business zwischen Orient und Okzident. Wichtige Infos in Englisch, Weinheim/Basel: Beltz Verlag:

Hofstede, G., Hofstede G.J. (2009). “Die Regeln des sozialen Spiels“. In: G. Hofstede and G.J. Hofstede, ed., Lokales Denken, globales Handeln. 4th ed. München: Deutscher Taschenbuch Verlag,  S. 2.

House, R. J. (2011). Culture, Leadership, and Organizations: the GLOBE study of 62 societies. 5. Auflage. Thousand Oaks, California: Sage.

 

Kabasci, Kirstin (22006), Kulturschock. Kleine Golfstaaten. Oman, Bielefeld: Reise Know-How Verlag Peter Rump GmbH.